Gesundheitspolitik Männergesundheit

Unterschied in der Lebenserwartung von Männern und Frauen steigt in den USA auf fast 6 Jahre

Afroamerikaner, Hispanics und Männer sind die Hauptverlierer der Corona-Krise. Ihre Lebenserwartung sank überdurchschnittlich stark, obwohl sie teilweise schon zuvor unterdurchschnittlich war.

Alle Todesfälle werden berücksichtigt

Nach neuen Daten der staatlichen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) ist in den USA die Lebenserwartung als Folge der COVID19-Pandemie gesunken. Getroffen hat der Rückgang vor allem Bevölkerungsgruppen, die ohnehin eine niedrigere Lebenserwartung haben, darunter auch Männer.1

Vor allem hispanische Männern sind vom Rückgang der Lebenserwartung betroffen. Es folgen afroamerikanischen Männer und dann afroamerikanische Frauen. „Weiße“ Frauen kommen am besten durch die Krise. Dabei waren sie schon zuvor die Gruppe mit der zweithöchsten Lebenserwartung.

Die Analyse betrachtet die Entwicklung der Lebenserwartung ganz allgemein, berücksichtigt also nicht nur direkte Corona-Tote, sondern alle Todesfälle. Dazu gehören auch Drogentote, deren Zahl sich in der Pandemie weiter erhöht hat. Dabei wird davon ausgegangen, dass es ohne die Pandemie eine weitgehend unveränderte Lebenserwartung gegeben hätte. Das ist auch sinnvoll, denn es gibt keinen plausiblen Grund, warum ohne Pandemie eine so deutliche Veränderung hätte eintreten sollen.

Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen den Ethnien

Die Gruppe mit der niedrigsten Lebenserwartung ist auch von Corona überproportional betroffen, nämlich die Non-Hispanic Blacks, wie sie in der Quelle heißen. Das sind Afroamerikaner, die oder deren Vorfahren nicht aus Lateinamerika zuwanderten, sondern oft (aber nicht nur) Nachfahren von Sklaven sind. Ihre Lebenserwartung sank in der Krise deutlich stärker als die der Non-Hispanic Whites, bei Männern um 3,3 Jahre gegenüber 1,3 Jahren. Ihre Lebenserwartung liegt jetzt bei nur noch 71,8 Jahren, bei Männern beträgt sie sogar nur 68,0 Jahre.

Dagegen wird der Unterschied zwischen Hispanics (also Einwanderern aus Lateinamerika und deren Nachfahren) und den beiden anderen Ethnien kleiner. Diese hatten nämlich bisher erstaunlicherweise sogar eine höhere Lebenserwartung als „nicht-hispanische Weiße“, trotz des geringeren Durchschnittseinkommens.

MännerFrauenGesamt
Hispanics75,382,478,8
Non-Hispanic Blacks68,075,771,8
Non-Hispanic Whites75,080,277,6
Gesamt74,580,277,3
Neu berechnete Lebenserwartung bei Geburt in den USA nach Ethnie.

Ob sich die Differenz zwischen den Ethnien vergrößert hat, ist deshalb vom statistischen Maß abhängig. Nach den üblichen Betrachtungsweisen zur statistischen Ungleichheit hat die Ungleichheit der Ethnien trotzdem zugenommen, weil hier starke Abweichungen besonders berücksichtigt werden. Und der Unterschied von Afroamerikanern zu den beiden war bereits vorher sehr groß.

hispanicnon-hispanic blacknon-hispanic white
hispanicx-0,4-2,4
non-hispanic black-0,4x2,0
non-hispanic white-2,42,0x
Veränderung des Unterschieds in der Lebenserwartung zwischen den Ethnien bei Männern. Ein Minuszeichen bedeutet, dass der Unterschied geringer geworden ist. So sank er zwischen hispanic und non-hispanic blacks um 0,4 Jahre, gegenüber non-hispanic whites um 2,4 Jahre.

Unterschiede zwischen den Geschlechtern steigen

In jedem Fall größer geworden ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen. Bei allen drei ethnischen Gruppen sind Männer deutlich stärker betroffen. Bei den Hispanics ist der Unterschied besonders groß, hier sank die Lebenserwartung bei Männern mit 3,7 Jahren nicht nur besonders stark, sondern auch 1,7 Jahre stärker als bei den Frauen der gleichen Ethnie. Bei der vom CDC als Non-Hispanic Blacks bezeichneten Personengruppe lag die Differenz bei 0,9 Jahren, bei den Non-Hispanic Whites war sie mit 0,2 Jahren besonders gering.

MännerFrauenDifferenz
hispanics-3,7-2,01,7
non-hispanic black-3,3-2,40,9
non-hispanic white-1,3-1,10,2
Bei allen drei vom CDC untersuchten Ethnien sind Männer stärker betroffen als Frauen. Besonders stark ist die Differenz bei den hispanics.

Damit ist der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen mit 5,7 Jahren fast genauso groß wie jener zwischen Non-Hispanic Blacks und Non-Hispanic Whites. Für die Gruppe der Diversen liegen keine Daten vor.

Warum eine solche Entwicklung?

Wie es zu der Entwicklung kommt, ist noch nicht völlig erforscht. Für die Übersterblichkeit von Männern wird unter anderem das Enzyp ACE2 verantwortlich gemacht. Die Übersterblichkeit von Hispanics soll teilweise genetische Ursachen haben, wie die Ärztin Dr. Marina Roytman behauptet.2

Allerdings dürften auch soziale Gründe eine große Rolle spielen. Männer sind häufiger übergewichtig, sie haben häufiger geraucht und sich auch häufiger in Fabriken oder auf Baustelle die Lunge zerstört. Das gilt für hispanische sowie afroamerikanische Männer besonders stark. Generell arbeiten beide ethnsiche Gruppen – auch bei den Frauen – häufiger in Berufen, in denen es kein Homeoffice gibt. Insgesamt sterben Menschen mit geringem Einkommen auch deutlich früher als solche mit hohem. Auch wenn nicht in allen Fällen eine direkte Kausalbeziehung besteht (niedriges Einkommen verursacht frühen Tod), dürfte das teilweise zutreffen.

Aber auch psychische Faktoren dürfen nicht vergessen werden. Wer ohnehin am Rande des Existenzminimums lebt, der ist durch den Verlust seines Arbeitsplatzes deutlich stärker betroffen. Zumal viele Hispanics und Blacks im Service-Bereich arbeiten und daher von Entlassungen besonders betroffen waren. Bei Männern dürfte hinzukommen, dass ihr Status viel stärker als bei Frauen über Wohlstand und Arbeit definiert wird. Außerdem greifen Sie bei psychischen Problemen häufiger zum Alkohol als sich einem Freund oder einem Psychologen anzuvertrauen.

Fazit

Zumindest für die Gruppen der Männer und der Afroamerikaner lässt sich sagen, dass eine Gruppe mit ohnehin unterdurchschnittlicher Lebenserwartung durch Corona zusätzlich besonders betroffen ist. Für die unterschiedliche Betroffenheit der einzelnen Bevölkerungsgruppen dürfte eine Mischung aus sozialen und biologischen Faktoren verantwortlich sein, zumindest im Fall der Männer und der Hispanics.

Erstaunlich ist, dass die steigende Ungleichheit der Lebenserwartung zwischen den Geschlechtern in den großen Zeitungen und Medienportalen keine Beachtung findet. Ein Artikel von welt.de berichtete zwar ausführlich über die gestiegene Ungleichheit der Ethnien (die ja so eindeutig nicht ist), aber nicht über die der Geschlechter.

  1. Arias, Elizabeth et al.: Provisional Life Expectancy Estimates for 2020 in Vital Statistics Rapid Release, No. 15, o.O. 2021, abgerufen unter Vital Statistics Rapid Release, Number 015 (July 2021) (cdc.gov) am 30. Juli 2021
  2. Hoggard, Corin: Why are Hispanic populations more vulnerable to COVID-19? Could be genetics, Fresno doctor says, abgerufen unter Why are Hispanic populations more vulnerable to COVID-19? Could be genetics, Fresno doctor says – ABC30 Fresno am 30. Juli 2021

2 Kommentare

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert